Erik Erikson
Als Studienabbrecher mit ungewisser Zukunft lernte der junge Erik Erikson Freuds Tochter Anna Freud kennen, während er die Kinder eines amerikanischen Ehepaars betreute, das in Wien eine Psychoanalyse machte. Anna Freud war es, die Erikson ermutigte, Psychoanalyse zu studieren. Erikson erhielt 1933 sein Diplom am Wiener Psychoanalytischen Institut, und als sich der Nationalsozialismus in Europa ausbreitete, floh er noch im selben Jahr aus dem Land und emigrierte in die Vereinigten Staaten. Später schlug Erikson eine psychosoziale Entwicklungstheorie vor, die davon ausgeht, dass sich die Persönlichkeit eines Menschen über die gesamte Lebensspanne hinweg entwickelt – eine Abkehr von Freuds Ansicht, dass die Persönlichkeit im frühen Leben festgelegt wird.
In seiner Theorie betonte Erikson die sozialen Beziehungen, die in jeder Phase der Persönlichkeitsentwicklung wichtig sind, im Gegensatz zu Freuds Betonung des Geschlechts. Erikson identifizierte acht Stufen, von denen jede einen Konflikt oder eine Entwicklungsaufgabe darstellt (siehe Tabelle unten). Die Entwicklung einer gesunden Persönlichkeit und eines Gefühls der Kompetenz hängt von der erfolgreichen Bewältigung jeder Aufgabe ab.
Carl Jung
Carl Jung (1875-1961) war ein weiterer Schüler Freuds und entwickelte seine eigenen Theorien über die Persönlichkeit. Jung stimmte mit Freud hinsichtlich der Macht des Unbewussten überein, war aber der Meinung, dass Freud die Bedeutung der Sexualität überbetonte. Jung vertrat die Ansicht, dass es neben dem persönlichen Unbewussten auch ein kollektives Unbewusstes oder eine Sammlung gemeinsamer Ahnenerinnerungen gibt. Diese Ahnenerinnerungen, die Jung als Archetypen bezeichnete, werden in verschiedenen Kulturen durch universelle Themen repräsentiert, die in Literatur, Kunst und Träumen zum Ausdruck kommen (Jung). Jung sagte, dass diese Themen gemeinsame Erfahrungen von Menschen auf der ganzen Welt widerspiegeln, wie z. B. die Auseinandersetzung mit dem Tod, das Erlangen von Unabhängigkeit und das Streben nach Meisterschaft. Jung (1964) glaubte, dass durch die Biologie jedem Menschen dieselben Themen weitergegeben werden und dass dieselben Arten von Symbolen – wie der Held, die Jungfrau, der Weise und der Betrüger – in der Folklore und den Märchen jeder Kultur zu finden sind. Die Aufgabe, diese unbewussten archetypischen Aspekte des Selbst zu integrieren, ist nach Jung Teil des Selbstverwirklichungsprozesses in der zweiten Lebenshälfte.
Mit dieser Orientierung auf Selbstverwirklichung löste sich Jung von Freuds Überzeugung, dass die Persönlichkeit allein durch vergangene Ereignisse bestimmt wird, und nahm die humanistische Bewegung mit ihrer Betonung der Selbstverwirklichung und Zukunftsorientierung vorweg. Neuere Forschungen gehen davon aus, dass Archetypen nicht als rein biologisch anzusehen sind, sondern direkt aus unseren Erfahrungen entstehen und sprachliche oder kulturelle Merkmale widerspiegeln (Young-Eisendrath, 1995). Heute glauben die meisten Jungianer, dass das kollektive Unbewusste und die Archetypen sowohl auf angeborenen als auch auf Umwelteinflüssen beruhen, wobei die Unterschiede in der Rolle und dem Ausmaß der jeweiligen Einflüsse liegen (Sotirova-Kohli et al., 2013).
Jung schlug auch zwei Einstellungen oder Herangehensweisen an das Leben vor: Extrovertiertheit und Introvertiertheit (Jung, 1923) (siehe Tabelle unten). Diese Ideen gelten als Jungs wichtigste Beiträge zur Persönlichkeitspsychologie, da fast alle Persönlichkeitsmodelle heute diese Konzepte enthalten. Wenn Sie ein extrovertierter Mensch sind, dann sind Sie eine Person, die durch Kontaktfreudigkeit und soziale Orientierung Energie erhält: Sie schöpfen Ihre Energie aus dem Zusammensein mit anderen. Wenn Sie introvertiert sind, dann sind Sie ein Mensch, der ruhig und zurückhaltend sein kann, oder Sie können sozial sein, aber Ihre Energie kommt aus Ihrer inneren psychischen Aktivität. Jung glaubte, dass ein Gleichgewicht zwischen Extrovertiertheit und Introvertiertheit dem Ziel der Selbstverwirklichung am besten dient.
Charakteristika von Introvertierten und Extrovertierten
Ein weiteres Konzept, das Jung vorschlug, war die Persona, die er als eine Maske bezeichnete, die wir annehmen. Nach Jung erschaffen wir diese Persona bewusst, aber sie entstammt sowohl unseren bewussten Erfahrungen als auch unserem kollektiven Unbewussten. Was ist der Zweck der Persona? Nach Jung ist sie ein Kompromiss zwischen dem, was wir wirklich sind (unserem wahren Selbst) und dem, was die Gesellschaft von uns erwartet. Wir verbergen die Teile von uns selbst, die nicht mit den Erwartungen der Gesellschaft übereinstimmen.
Karen Horney
Karen Horney (die letzte Silbe ihres Nachnamens reimt sich auf „Auge“; 1855-1952) war eine deutsche Ärztin, die Freuds Theorien anwandte, um eine Persönlichkeitstheorie zu entwickeln, die ihrer Meinung nach zwischen Männern und Frauen ausgewogener war. Horney war der Ansicht, dass Teile der Freudschen Theorie Frauen gegenüber voreingenommen waren. Horney vertrat die Ansicht, dass das Gefühl der Minderwertigkeit der Frauen nicht auf ihr „Fehlen eines Penis“ zurückzuführen sei, sondern vielmehr auf ihre Abhängigkeit von Männern, eine Haltung, die es ihnen aufgrund der Kultur schwer machte, sich davon zu lösen. Für Horney ist die zugrunde liegende Motivation, die die Persönlichkeitsentwicklung leitet, der Wunsch nach Sicherheit, die Fähigkeit, angemessene und unterstützende Beziehungen zu anderen zu entwickeln. Horney klassifizierte Menschen als nachgiebig („sich auf Menschen zubewegend“), aggressiv („sich gegen Menschen wendend“) oder zurückgezogen („sich von Menschen entfernend“), wie in der folgenden Tabelle dargestellt.