Hintergrund: Rückenschmerzen haben viele Ursachen. In Deutschland haben etwa 70% der Erwachsenen mindestens eine Episode von Rückenschmerzen pro Jahr.
Methoden: Diese Übersichtsarbeit basiert auf einer selektiven Literaturrecherche und auf der Nationalen Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz.
Ergebnisse: Der Arzt sollte bei der Anamnese eines Patienten mit Rückenschmerzen nach der Art, dem Beginn, dem Verlauf, der Lokalisation und der Ausstrahlung der Schmerzen sowie nach deren Abhängigkeit von körperlicher Aktivität und/oder emotionaler Belastung fragen. Bei der Differentialdiagnose müssen neurologische Defizite und alle „roten Fahnen“, die auf gefährliche Zustände wie Wirbelsäulenfrakturen, bakterielle Infektionen und Tumore hindeuten, ausgeschlossen werden. Lässt sich keine spezifische Schmerzursache feststellen, sind bei der Erstvorstellung keine bildgebenden Untersuchungen angezeigt. Die Behandlung akuter, unspezifischer Kreuzschmerzen konzentriert sich auf Schmerzlinderung und Funktionsverbesserung. Eine angemessene Aufklärung und Beratung der Patienten ist unerlässlich. Bewegungstherapie ist nicht wirksamer als die Fortsetzung der normalen täglichen Aktivitäten. Eine Einschränkung der Aktivität, einschließlich Bettruhe, ist nicht von Nutzen und verlängert lediglich die Genesung und die Wiederaufnahme der normalen Aktivität. Weitere diagnostische Tests sind angezeigt, wenn der Verdacht auf eine Fraktur, eine Infektion oder einen Tumor besteht.
Schlussfolgerung: Nachdem gefährliche Erkrankungen ausgeschlossen wurden, können Kreuzschmerzen pragmatisch entweder als unspezifisch oder spezifisch eingestuft werden. Weitere Forschung ist erforderlich, damit die diagnostische Bewertung und die individuelle Behandlung akuter Kreuzschmerzen weiter verfeinert werden können.
Kreuzschmerzen sind keine eigenständige Krankheit, sondern ein Symptom mit vielen Ursachen. Der Begriff „Kreuzschmerzen“ bezieht sich auf Schmerzen, die in der Nähe der Mittellinie im Lenden- oder Kreuzbeinbereich empfunden werden. Die Ursache muss nicht unbedingt in der Wirbelsäule liegen, sondern kann auch durch Erkrankungen im Bauch- oder Beckenbereich bedingt sein. Ärzte und Patienten sind mit einer verwirrenden Vielfalt von Behandlungsmöglichkeiten für Kreuzschmerzen konfrontiert. Laut dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen des Bundesgesundheitsministeriums ist die Behandlung von Kreuzschmerzen in Deutschland derzeit durch Über-, Unter- und Fehlbehandlung gekennzeichnet (1).
Lernziele
Leser dieses Artikels sollten in der Lage sein
- zu verstehen, dass Kreuzschmerzen ein Symptom mit vielen Ursachen sind, und eine praktische differentialdiagnostische Einschätzung vorzunehmen;
- die geeigneten Methoden der Anamneseerhebung, diagnostischen Bewertung und Behandlung zu kennen und anzuwenden;
- frühe Risikofaktoren für die Chronifizierung von Kreuzschmerzen zu erkennen und zu vermeiden.
Epidemiologie
Die hohe Prävalenz des Kreuzschmerzes in Deutschland ist u.a. durch primäre epidemiologische Daten des Bundesgesundheitssurveys, der Lübecker Rückenschmerzstudie und einer Multicenterstudie des Deutschen Forschungsverbundes Rückenschmerz (DFRS) belegt. Sie liegt bei deutschen Erwachsenen (18-74 Jahre) je nach Erhebungszeitraum (Punktprävalenz vs. Sieben-Tage-, Drei-Monats- und Ein-Jahres-Prävalenz) zwischen 30 und 70 Prozent (e1).
Die Prognose von akuten Rückenschmerzen ist ungewiss. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass die Schmerzen in etwa der Hälfte aller Fälle innerhalb von sechs Wochen abklingen (2) und dass 68-86 % der Betroffenen ihre Arbeit innerhalb eines Monats wieder aufnehmen (e2), aber es wurde auch berichtet, dass 62 % der Betroffenen 12 Monate später immer noch Schmerzen haben und dass 16 % ihre Arbeit innerhalb von sechs Monaten nicht wieder aufnehmen. Wiederkehrende Kreuzschmerzen sind häufig (47-54 %) (3), ebenso wie eine wiederkehrende Arbeitsunfähigkeit (33 %) (e2). Die Interpretation der vorliegenden Daten wird zusätzlich dadurch erschwert, dass nur ein Drittel der Patienten gegenüber ihrer primären Bezugsperson angibt, selten oder nie zuvor Rückenschmerzen gehabt zu haben (4). Auf jeden Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass die erste Episode von Rückenschmerzen bei einem Patienten auch die letzte ist.
Definition und Ursachen
Lumbale Rückenschmerzen sind definiert als Schmerzen im Rücken von der untersten Rippe bis zur Gesäßfalte, mit oder ohne Ausstrahlung in die Beine (5). Eine Episode von Kreuzschmerzen wird als akut bezeichnet, wenn sie zum ersten Mal im Leben eines Patienten oder nach einem schmerzfreien Intervall von mindestens sechs Monaten auftritt und nicht länger als sechs Wochen andauert (6).
Kreuzschmerzen aufgrund einer spezifischen, schweren Erkrankung sind selten. Zudem sind die pathophysiologisch orientierten Diagnosekategorien für Kreuzschmerzen oft nicht reproduzierbar und haben in der Regel keine eindeutigen Konsequenzen für die Behandlung. In der Nationalen Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz (6) wird Kreuzschmerz daher pragmatisch in unspezifisch und spezifisch eingeteilt. Behandlungsbasierte oder funktionell-kognitive Klassifizierungen scheinen zwar vielversprechend zu sein, bedürfen aber noch der Validierung durch eine angemessene Evidenzbasis (7-9). Rückenschmerzen werden als unspezifisch bezeichnet, wenn es keinen eindeutigen kausalen Zusammenhang zwischen den Symptomen, den körperlichen Befunden und den bildgebenden Verfahren gibt. Ärzte sollten dementsprechend Vorsicht walten lassen, bevor sie weitere diagnostische Tests und Behandlungen anordnen.
Bei spezifischen Kreuzschmerzen kann per Definition ein patho-anatomischer Zusammenhang zwischen den Schmerzen und einem oder mehreren pathologischen Prozessen nachgewiesen werden, einschließlich Kompression neuraler Strukturen, Gelenkentzündung und/oder Instabilität eines oder mehrerer Bewegungssegmente der Wirbelsäule. Es sollten spezifische diagnostische Untersuchungen und ursachenorientierte Behandlungen eingeleitet werden.
Unter allen Patienten, deren Kreuzschmerzen eine spezifische, klinisch relevante Ursache hatten, wurde bei 4 % ein Bandscheibenvorfall, bei 3 % eine Spinalkanalstenose und bei 2 % eine Spondylolisthesis diagnostiziert. Bei etwa 1-4 % der Patienten wurde bei der Erstuntersuchung eine Wirbelkörperfraktur festgestellt; 0,7 % hatten einen Tumor (primär oder metastasiert), 0,2 % eine ankylosierende Spondylitis und 0,01 % eine Spondylodiszitis (10).
Insgesamt wurden bei 15 % aller Fälle von Kreuzschmerzen pathologische Befunde erhoben. Daraus folgt, dass etwa 80-90% der Fälle von Kreuzschmerzen unspezifisch sind, d.h. kein eindeutiges patho-anatomisches Korrelat aufweisen (11).
Kreuzschmerzen werden häufig durch nicht-pathologische Funktionsstörungen verursacht, die am besten durch die körperliche Untersuchung erkannt werden und durch bildgebende Untersuchungen nicht adäquat nachgewiesen werden können, insbesondere die folgenden:
- segmentale Dysfunktion (z.B., „Blockaden“ ),
- Sakroiliakalgelenksyndrom,
- veränderte Statik der Wirbelsäule (z.B., Hyperlordose oder Aufrichtung der normalen Lendenlordose),
- Muskeldysfunktion (z.B. Janda-Kreuzsyndrome, verkürzte Muskeln, Triggerpunkte),
- Bindegewebsveränderungen (z.B. Schwellungen, Faszienhypomobilität), und
- systemische Zustände (z.B.,
Die derzeitigen differenzialdiagnostischen Methoden ermöglichen es im Allgemeinen nicht, eine eindeutige Diagnose zu stellen, wenn Schmerzen im unteren Rückenbereich muskulären Ursprungs sind; diese Situation ist sehr häufig. Schmerzen dieser Art werden von Patient zu Patient unterschiedlich wahrgenommen und sind mit unterschiedlichen Symptomen und Anzeichen verbunden. In diesem Bereich ist weitere Forschung erforderlich (6). Es ist auch schwierig, die verschiedenen Arten von degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule zu klassifizieren, die heute bei 15-45 % der Patienten mit Kreuzschmerzen durch moderne bildgebende Verfahren nachgewiesen werden (10, 13). Degenerative Veränderungen sind Teil des normalen Alterungsprozesses, sollten aber als pathologisch angesehen werden, wenn sie mit einer Entzündung einhergehen, z. B. bei einer aktivierten Spondylarthrose. Das lumbale Facettensyndrom, ein bekannter klinischer Zustand, ist keine Entität, die definitiv diagnostiziert werden kann, obwohl es eine Evidenzbasis für seine Diagnose und zufriedenstellende Behandlung durch Infiltration mit Lokalanästhetika gibt (e3). Das Gleiche gilt für die Spinalkanalstenose, eine anatomische Gegebenheit, die sich bei älteren Menschen häufig im MRT zeigt und nur dann behandelt werden muss, wenn typische Symptome und Anzeichen einer neurogenen Claudicatio intermittens vorliegen und wenn andere wichtige Entitäten in der Differentialdiagnose (periphere Gefäßerkrankungen, Polyneuropathie) ausgeschlossen wurden. eTabelle 1 enthält eine Liste von körperlichen Befunden ohne pathologische Bedeutung, die häufig bei Patienten mit Kreuzschmerzen auftreten.
Kreuzschmerzen nehmen typischerweise einen chronisch rezidivierenden Verlauf, und ihr Charakter ändert sich oft im Laufe der Zeit. Sie werden traditionell als akut (bis zu 6 Wochen), subakut (6-12 Wochen) oder chronisch (mehr als 12 Wochen) klassifiziert (6). Diese rein zeitliche Einteilung spiegelt jedoch den prognostisch sehr wichtigen Prozess der Chronifizierung, d. h. den Übergang von akuten zu chronischen Schmerzen, oft nicht angemessen wider. Typisch für die Chronifizierung ist die zunehmende Multidimensionalität des Schmerzes mit Mobilitätsverlust, Funktionseinschränkungen, Wahrnehmungs- und Stimmungsstörungen, ungünstigen kognitiven Mustern, schmerzbezogenem Verhalten und auf sozialer Ebene mit Störungen der sozialen Interaktion und beruflichen Schwierigkeiten (14).
Zur Beurteilung der subjektiven Schmerzintensität wird entweder die numerische Bewertungsskala (NRS) oder die visuelle Analogskala (VAS) empfohlen, wobei die Skala von „nicht vorhanden“ bis „unerträglich“ reicht (6).
Anamnese und diagnostische Bewertung
Eine sorgfältig erhobene Anamnese liefert im Allgemeinen wichtige Informationen für die Beurteilung des Rückenschmerzes. Der Arzt sollte nach dem Beginn und dem Verlauf der Schmerzen, früheren Schmerzepisoden (falls vorhanden), dem Ort und der Ausstrahlung (falls vorhanden) der Schmerzen, ihrer Qualität und Intensität und ihrer Abhängigkeit von Ruhe und/oder Bewegung sowie nach Schlafstörungen, Beeinträchtigungen bei den Aktivitäten des täglichen Lebens und anderen Stressfaktoren im Privatleben oder am Arbeitsplatz des Patienten fragen. Das übergeordnete Ziel der Primärbehandlung von Kreuzschmerzen ist die Linderung der Symptome, d. h.,
- der Ausschluss einer ernsthaften Erkrankung („red flags“),
- die Erkennung von Hinweisen, die auf eine spezifische Diagnose hindeuten könnten, und
- die frühzeitige Erkennung von psychosozialen Faktoren, die eine Chronifizierung begünstigen („yellow flags“) (e3).
„Rote Flaggen“ sind die aktuellen klinischen Merkmale und Vorerkrankungen, die vor einer möglichen spezifischen Ursache warnen, die zu ernsthaften Problemen führen kann, wenn sie nicht sofort behandelt wird (6) (Tabelle 1).
Rezente Studien fordern, dass der Arzt bei der Suche nach „Red Flags“ eine eng fokussierte und spezifische Liste von „Red Flags“ im Auge haben sollte, da sich herausgestellt hat, dass bei etwa 80 % der Patienten mindestens ein „Red Flag“ gefunden wird, das weitere diagnostische Untersuchungen erforderlich machen könnte (15) (eTabelle 2). Entscheidungen über weitere diagnostische und therapeutische Maßnahmen sollten von mehreren Merkmalen in Kombination und nicht von einem Merkmal allein abhängen, und zwar immer unter Berücksichtigung der körperlichen Befunde (e5).
Die Anamnese sollte auch alle psychosozialen Risikofaktoren für die Chronifizierung von Kreuzschmerzen („Yellow Flags“) umfassen (Tabelle 2). Kognitiv-psychoemotionale und verhaltensbezogene Merkmale, die den Übergang von akuten zu chronischen Schmerzen begünstigen (16), sollten so früh wie möglich erkannt und im Behandlungsplan berücksichtigt werden. Weitere wichtige Elemente der Anamnese sind:
- Heben und Fehlhaltungen als mögliche Schmerzursachen (17),
- iatrogene Faktoren, z.B., Fehldiagnose,
- Präferenz für passives und schmerzvermeidendes Verhalten,
- übermäßige Beschäftigung mit somatischen und radiologischen Befunden.
Mehrere Screening-Instrumente zur Beurteilung des Chronifizierungsrisikos stehen inzwischen zur Verfügung, darunter der Heidelberger Kurzfragebogen HKF-R10 (18), der Örebro Musculoskeletal Pain Screening Questionnaire (ÖMPSQ) (19, e7), der Risk-R (20) und das Start Back-Screening Tool (SBST) (e9) (17, e9). Keines der Instrumente kann besser als die anderen empfohlen werden, da die Auswertungen der einzelnen Instrumente zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt haben (18, e8, e9) und der Nutzen einer frühzeitigen psychosozialen Intervention nicht eindeutig belegt ist (21).
Da nur wenige Patienten mit Kreuzschmerzen „rote Flaggen“ haben, während weitaus mehr funktionelle Störungen aufweisen (eTabelle 1), spielt auch die körperliche Untersuchung eine wichtige Rolle (insbesondere Tests der Muskel- und Gelenkfunktion) (6) (Kasten 1).
Der Nutzen der körperlichen Untersuchung wird dadurch eingeschränkt, dass es nicht möglich ist, alle relevanten Strukturen zu testen, und dass viele der Tests eine geringe Trennschärfe aufweisen. Systematische statistische Auswertungen der körperlichen Untersuchung haben gezeigt, dass selbst gebräuchliche Tests wie der Gerades-Bein-Heben-Test zwar eine hohe Sensitivität (87-95 %) aufweisen, aber oft nicht sehr spezifisch sind (22-35 %); die Zahlen hängen von der für statistische Zwecke verwendeten Referenzmethode ab (z. B. MRT-Befunde, Chirurgie) (22). Provokative Tests, z. B. Kompressions- und Mobilisationstests des Iliosakralgelenks, sind zuverlässiger als Beweglichkeitstests (e10). Kombinationen von Tests sind aussagekräftiger als Einzeltests (6, e8, e11, e12).
Die therapeutischen Konsequenzen unspezifischer akuter Kreuzschmerzen
Die Behandlung des Patienten mit unspezifischen Kreuzschmerzen beginnt mit einer gründlichen Patienteninformation und -beratung (Kasten 2) (e13).
Die Behandlung sollte sparsam erfolgen und sich an den Schmerzen und dem aktuellen Funktionsstatus des Patienten orientieren.
Bei der nicht-pharmakologischen Behandlung von akuten Kreuzschmerzen ist eine Bewegungstherapie nicht wirksamer als die Fortführung der normalen Aktivität (e14). Umgekehrt haben sich reduzierte Aktivität und Bettruhe als wirkungslos erwiesen oder führen zu einer Verschlimmerung der Schmerzen und einer verzögerten Wiederaufnahme der täglichen Aktivitäten (6). Patienten mit subakuten (> 6 Wochen) unspezifischen Kreuzschmerzen, die psychosoziale Risikofaktoren für eine Chronifizierung aufweisen, sollte eine kognitive Verhaltenstherapie (KVT) angeboten werden, die auf ihr individuelles Risikoprofil zugeschnitten ist (6). Die kognitive Verhaltenstherapie und die progressive Muskelentspannung werden am besten eingeführt, nachdem der Patient in einem interdisziplinären, multimodalen Behandlungsprogramm beurteilt wurde. Präventive Rückenübungen, Techniken der manuellen Medizin und Entspannungstechniken können eingesetzt werden (Empfehlungsgrad B), wenn die oben genannten Erstlinienbehandlungen unwirksam sind.
Das Ziel der Pharmakotherapie bei Kreuzschmerzen ist es, den Patienten die Fortsetzung oder Wiederaufnahme ihrer normalen täglichen Aktivitäten zu ermöglichen (Tabelle 3).
Paracetamol (Paracetamol) gilt angesichts seiner fragwürdigen Wirksamkeit und unzureichend erkannten Nebenwirkungen (e15, e16, 23) als optionales Medikament. Vielmehr werden die traditionellen nichtsteroidalen Antirheumatika (t-NSAIDs) empfohlen, wobei die empfohlenen Dosierungen einzuhalten und auf Nebenwirkungen zu achten ist (Tabelle 3). Generell sollte jedes Analgetikum bei Kreuzschmerzen in der niedrigsten wirksamen Dosis über den kürzest möglichen Zeitraum verabreicht werden (6). Die parenterale Verabreichung von NSAIDs oder COX-2-Hemmern wird aufgrund ihrer unerwünschten Wirkungen und unbewiesenen Wirksamkeit nicht empfohlen (6). Metamizol gilt angesichts der aktuellen Datenlage, insbesondere hinsichtlich der Nebenwirkungen, als Reserve-Analgetikum (6). COX-2-Hemmer können zur Behandlung akuter, unspezifischer Rückenschmerzen eingesetzt werden (sofern die entsprechenden Warnhinweise beachtet werden), wenn die herkömmlichen NSAIDs kontraindiziert sind oder schlecht vertragen werden (6). Flupirtin hat zusätzlich muskelentspannende Eigenschaften, sollte aber angesichts der aktuellen Erkenntnisse, insbesondere zu den Nebenwirkungen, nur zur Behandlung akuter Schmerzen für maximal zwei Wochen gegeben werden, wobei die Leberfunktion wöchentlich kontrolliert werden sollte (e17). Zur Beurteilung anderer Muskelrelaxanzien, z. B. Methocarbamol, für die systemische Behandlung schmerzhafter Muskelverspannungen liegen keine ausreichenden Erkenntnisse vor (6). Wenn die empfohlenen Analgetika (insbesondere NSAIDs) unwirksam sind oder schlecht vertragen werden, können Patienten mit unspezifischen Kreuzschmerzen niedrigpotente Opioide wie Tramadol oder Tilidin erhalten, wobei eine engmaschige klinische Überwachung erfolgt (6). Invasive Behandlungen und chirurgische Eingriffe werden nicht empfohlen (6).
Akute, spezifische Kreuzschmerzen
Patienten mit neurologischen Befunden wie Muskelschwäche, Gefühlsstörungen in den unteren Gliedmaßen und Blasen- oder Darmstörungen sollten sich einer neurologischen Untersuchung unterziehen, die eine Prüfung der Empfindung, der Muskelkraft (auf der 5-Punkte-MRC-Skala), der intrinsischen Muskelreflexe und der Nervenstreckungstests umfasst.
Elektrophysiologische Untersuchungen sind angezeigt, wenn die Schmerzen des Patienten unklar oder schwer zu klassifizieren sind oder wenn sie offensichtlich peripheren Ursprungs sind. Eine Elektromyographie (EMG) ist nicht erforderlich, wenn die klinischen und radiologischen Befunde vollständig übereinstimmen.
Eine Übersicht über die Differentialdiagnose und Behandlung spezifischer Kreuzschmerzen für Patienten, die sofortige ärztliche Hilfe benötigen, findet sich in eTabelle 3, und eine vergleichbare Tabelle für Patienten mit nicht dringenden Problemen findet sich in eTabelle 4.
Die Wirbelkörper werden als Quelle von Kreuzschmerzen im Allgemeinen überschätzt. Schmerzen extravertebralen Ursprungs, die eher von benachbarten Organen als von der knöchernen Wirbelsäule oder den zugehörigen Muskeln, Bandscheiben und Bändern ausgehen (Kasten 3), machen schätzungsweise mindestens 2 % der Fälle von Kreuzschmerzen aus, die in der Primärversorgung behandelt werden (10), und sollten daher immer im Auge behalten werden (6).
Bildgebende Untersuchungen
Sie sollten wegen ihrer möglichen Nebenwirkungen und der Gefahr einer Überdiagnose, die zu einer Chronifizierung führt, nur bei strenger Indikation angeordnet werden. Bildgebende Untersuchungen sind notwendig, wenn ein Verdacht besteht (5). Der klinische Verdacht auf eine Fraktur, eine Infektion oder eine Radikulopathie ist eine Indikation für die MRT anstelle der CT, da die MRT für diese Erkrankungen empfindlicher ist als die CT und den Patienten im Gegensatz zur CT nicht mit ionisierenden Strahlen belastet (5). Dies gilt auch für Frakturen, deren genaue Lokalisation, Art und Alter (osteoporotische Fraktur) von klinischer Bedeutung sind. Darüber hinaus ermöglichen dynamische Gleitfilme, die nach Ausschluss akuter traumatischer Veränderungen angefertigt werden, die Beurteilung der Wirbelsäule in Bewegung. Die Wahl der bildgebenden Untersuchung kann auch von der örtlichen Verfügbarkeit und den Kosten beeinflusst werden (6). Bei der Erstuntersuchung von akuten Kreuzschmerzen ist keine Bildgebung erforderlich, wenn die Anamnese und die körperliche Untersuchung keine Hinweise auf eine bestimmte Ursache ergeben (24). Wenn sich die Schmerzen akut verschlimmern oder über sechs Wochen oder länger anhalten, ist eine bildgebende Untersuchung indiziert (6).
Alle bildgebenden Untersuchungen sollten von einem Radiologen gelesen werden, und der Arzt, der sie anordnet, sollte die Befunde mit dem Patienten besprechen. Diese Befunde sollten mit den Befunden der Anamnese und der körperlichen Untersuchung in einen sinnvollen Zusammenhang gebracht werden.
Laboruntersuchungen
Es sollten keine Laboruntersuchungen durchgeführt werden, es sei denn, es handelt sich um spezifische Krankheitsentitäten, die aufgrund der Anamnese und der körperlichen Untersuchung vermutet werden. Ergänzende Laboruntersuchungen sind erforderlich, wenn es klinische Hinweise darauf gibt, dass die Schmerzen eine bestimmte Ursache haben.
Im Folgenden werden besondere Aspekte einiger wichtiger spezifischer Erkrankungen erörtert.
Bandscheibenvorfall der Lendenwirbelsäule
Die klinische Erkennung neurologischer Defizite (falls vorhanden) ist der Eckpfeiler der Diagnose und Behandlung eines lumbalen Bandscheibenvorfalls (Kasten 1).
In den meisten Fällen von Bandscheibenvorfällen klingen die Schmerzen innerhalb von sechs Wochen spontan ab. Bleiben die Schmerzen bestehen oder treten neurologische Defizite auf, sind weitere diagnostische Untersuchungen angezeigt (eTabelle 3). Am häufigsten sind die Nervenwurzeln L5 und S1 betroffen (in mehr als 80 % der Fälle), was auf Bandscheibenvorfälle L4/5 und L5/S1 zurückzuführen ist (25).
Radikuläre Schmerzen, die lediglich eine leichte Schwäche aufweisen, werden im Allgemeinen genauso behandelt wie Schmerzen nichtradikulären Ursprungs, hauptsächlich mit entzündungshemmenden Medikamenten, manchmal aber auch mit Medikamenten, die speziell gegen neuropathische Schmerzen gerichtet sind, wie z. B. trizyklische Antidepressiva; die Evidenzbasis ist uneinheitlich (26, 27). Die Patienten sollten so bald wie möglich mit aktiver Physiotherapie mobilisiert werden, und sie sollten so bald wie möglich an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, während sie eine adäquate analgetische Medikation erhalten, im Allgemeinen NSAIDs, aber manchmal auch Opioide für kurze Zeit. Es gibt keine Belege für den Einsatz oraler Steroid-Taper (27).
Wenn der Schmerz trotz der Behandlung anhält und neurologische Defizite auftreten, können periradikuläre Injektionen die Schmerzen lindern und die körperliche Aktivität fördern (28, 30). Epidurale Steroidinjektionen bringen kurz- bis mittelfristige Linderung (e18). Transforaminale epidurale Techniken sind periradikulären Injektionen überlegen (29).
Wenn schwere radikuläre Symptome trotz angemessener, intensiver konservativer Behandlung über sechs Wochen oder länger persistieren und die klinischen und radiologischen Befunde übereinstimmen, kann eine Operation in Betracht gezogen werden. Eine Operation ist eindeutig indiziert bei Cauda-Äquina-Syndrom mit akuter Paraparese und bei akuten oder progressiven schweren motorischen Defiziten aufgrund von Nervenwurzelkompression (Stärke 3 oder weniger auf der MRC-Skala) (25). Die Hauptmanifestationen des Cauda-Equina-Syndroms sind Harnverhalt und ein Sensibilitätsdefizit unterschiedlichen Ausmaßes in den unteren lumbalen und sakralen Dermatomen („Sattelblutanästhesie“), das von starken radikulären Schmerzen und leichter Schwäche der Beine begleitet sein kann.
Es besteht kein signifikanter Unterschied zwischen den Langzeitergebnissen konservativ und chirurgisch behandelter Patienten in Bezug auf Symptome und Behinderung (29), aber eine Operation führt zu einer schnelleren Genesung (e19, 30).
Tumore
Spinaltumore manifestieren sich in der Regel zunächst mit unspezifischen Schmerzen und später mit allgemeinen Funktionseinbußen (e20). Eine tatsächliche Schwellung wird nur in 16 % der Fälle beobachtet (e21). Bei der überwiegenden Mehrheit der Wirbelsäulentumoren (96 %) handelt es sich um Metastasen (e22). Bei den restlichen 4 % handelt es sich um primäre gutartige und bösartige Tumoren und so genannte „tumorähnliche Läsionen“ (e22, 31).
Bei jedem klinischen Verdacht auf einen Wirbelsäulentumor sollten weitere diagnostische Untersuchungen veranlasst werden (e23, e24). Röntgenaufnahmen gehören zwar zur Standarddiagnostik, zeigen aber nur dann osteolytische Prozesse, wenn mindestens 30-50 % der Knochensubstanz verloren gegangen sind (e25). Die MRT ist der derzeitige Goldstandard für die Diagnose von Wirbelsäulentumoren (31) (eTabelle 3). Die Diagnose und Behandlung von Patienten mit Wirbelsäulentumoren sollte in einem interdisziplinären Tumorboard besprochen werden.
Infektionen
Bakterielle Infektionen des Achsenskeletts können durch Kontinuität, durch hämatogene Ausbreitung von einer extraspinalen Infektion oder iatrogen durch Kontamination während eines invasiven Eingriffs entstehen (e26). Sie verursachen typischerweise unspezifische Schmerzen, die auch im Ruhezustand (z. B. nachts im Bett) anhalten.
Die akute Phase der Diskitis/Spondylodiszitis hat unspezifische Manifestationen und kann daher leicht falsch interpretiert werden. Mit einer Inzidenz von nur 0,4-2,4 Fällen pro 100.000 Personen und Jahr ist diese Entität selten. Die radiologisch sichtbaren Veränderungen treten erst spät im Verlauf auf, und die Rate der falsch-negativen Kulturen kann bis zu 30 % betragen (32). Die unspezifische Spondylodiszitis macht 2-7 % aller Fälle von Osteomyelitis aus und ist die häufigste infektiöse Entität; die meisten Fälle von unspezifischer Spondylodiszitis treten im Lendenbereich auf (e27). Diese Erkrankung hat zwei Häufigkeitsgipfel, einen in der frühen Kindheit und einen weiteren zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr.
Im Röntgenbild ist die Zerstörung der oberen und unteren Wirbelkörperendplatten erst einige Wochen nach Beginn der Spondylodiszitis zu erkennen.
Die MRT kann zur Diagnose dieser Entität mit hoher Sensitivität (96-100 %) und Spezifität (92 %) eingesetzt werden; da sie Weichteilprozesse aufzeigt, kann sie sowohl Diskitis als auch die frühen Stadien der Spondylodiszitis erkennen (33). Die CT ist eine Alternative (e28). Mit der Szintigraphie kann nach der primären Infektionsquelle gesucht werden.
Der häufigste Erreger ist Staphylococcus aureus mit 42-84 % der Fälle, gefolgt von gramnegativen Bakterien (4-30 %) und Streptokokken/Entereokokken (5-30 %) (33). Es gibt kein einziges, einheitliches Behandlungskonzept für die Spondylodiszitis. Die erfolgreiche konservative Behandlung basiert auf der Gabe von Antibiotika und Bettruhe bis zur Rückkehr der Entzündungsparameter in den Normalbereich, gefolgt von einer externen Ruhigstellung in einem Korsett. Für diese Behandlungsform gibt es keine gesicherten Erkenntnisse (33).
Die chirurgische Behandlung umfasst ein gründliches Débridement des infizierten Bereichs, eine interne Ruhigstellung der infizierten Wirbelsäulensegmente mit dorsaler und manchmal auch ventraler Instrumentierung sowie eine längere Antibiotikagabe (34, 35).
Frakturen
Die Wirbelsäule kann bei einem traumatischen Ereignis mit massiver Krafteinwirkung verletzt werden, was zu Schmerzen im unteren Rückenbereich führt, aber Wirbelsäulenfrakturen entstehen oft spontan oder nach relativ leichten Traumata, im Allgemeinen aufgrund von Osteoporose. Die Inzidenz radiologisch nachweisbarer Frakturen liegt bei 55- bis 79-jährigen Frauen bei 1 % pro Jahr, bei Männern derselben Altersgruppe bei 0,6 % pro Jahr (36). Bei Frauen über 50 Jahren liegt die Wahrscheinlichkeit, eine osteoporotische Fraktur zu erleiden, bei über 60 % (e29).
Planaufnahmen spielen nach wie vor eine wichtige Rolle bei der Diagnose und der Nachbeobachtung. Die MRT (STIR-Sequenz) ist die Methode der Wahl, um das Alter einer Fraktur zu beurteilen, was eine wichtige Überlegung bei der Indikationsstellung zur Behandlung ist (eTabelle 3).
Nach den aktuellen Leitlinien sollten osteoporotische Frakturen der Wirbelsäule, die keine Instabilität der Wirbelsäule oder neurologische Ausfälle verursachen, zunächst konservativ behandelt werden (36). Ein fortschreitender Wirbelkörperkollaps und/oder starke, hartnäckige Schmerzen können eine Indikation für chirurgische Maßnahmen wie die Zementaugmentation (Vertebroplastie, Kyphoplastie) und die Neuausrichtung der Wirbelsäule mit intravertebralem gewichtstragendem Prothesenmaterial darstellen (e30). 10-30 % der Patienten mit einer ersten osteoporotischen Fraktur erleiden eine zweite (37); daher umfasst die richtige Behandlung nicht nur die Behandlung der Fraktur, sondern auch die angemessene Diagnose und Behandlung der Osteoporose (einer Systemerkrankung) gemäß den aktuellen Leitlinien, um weitere Frakturen zu verhindern.
Ein Algorithmus für die Behandlung akuter Kreuzschmerzen
Rote Flaggen (Abbildung 1) sollten sofort zu weiteren diagnostischen Untersuchungen und, falls erforderlich, zur Überweisung in ein Zentrum führen, in dem eine Wirbelsäulenoperation durchgeführt werden kann. Patienten mit Rückenschmerzen eines bestimmten Typs sollten an den/die entsprechenden Spezialisten überwiesen werden. Wenn eine sorgfältige Anamnese und eine gründliche körperliche Untersuchung keine Auffälligkeiten oder eindeutige patho-anatomische Befunde ergeben, besteht keine unmittelbare Indikation für weitere diagnostische Tests oder eine invasive Behandlung (Abbildung 2). Bei Vorliegen psychosozialer Risikofaktoren für die Chronifizierung von Kreuzschmerzen (gelbe Flaggen) und insbesondere bei persistierenden Schmerzen sollte der Patient vier bis sechs Wochen nach Schmerzbeginn interdisziplinär begutachtet werden, um die Indikation für ein multimodales Behandlungsprogramm zu prüfen, da die Kostenträger in Deutschland inzwischen in der Regel eine Stellungnahme des behandelnden Arztes verlangen, sobald der Patient vier Wochen lang aufgrund von Rückenschmerzen arbeitsunfähig war. Die übrigen Patienten, die keine roten oder gelben Fahnen aufweisen, sollten entsprechend den aktuellen Leitlinien umfassend informiert und beraten werden und bei Bedarf schmerzlindernde Medikamente erhalten (Abbildung 2). Bleiben die Kreuzschmerzen trotz einer sechswöchigen leitliniengerechten Behandlung bestehen, sollte der Patient einer umfassenden interdisziplinären Bewertung unterzogen werden (38), um festzustellen, ob die Behandlung in der derzeitigen Umgebung fortgesetzt werden sollte oder ob der Patient stattdessen einem interdisziplinären multimodalen Schmerzbehandlungsprogramm unterzogen werden sollte, entweder auf stationärer oder auf ambulanter Basis, gefolgt von einer abschließenden Bewertung und einer offiziellen Stellungnahme zur Prognose, weiteren Behandlung und Arbeitsfähigkeit (39).
Erklärung zu Interessenkonflikten
Prof. Casser war als bezahlter Berater für TEVA, Mucos Pharma, Grünenthal und Janssen tätig und wurde von Pfizer, TEVA, Grünenthal, Recordati und Mundipharma für die Vorbereitung von medizinischen Fortbildungsveranstaltungen bezahlt.
Dr. Seddigh erhielt von Grünenthal die Rückerstattung von Gebühren für die Teilnahme an Tagungen und wurde von Lilly für die Vorbereitung wissenschaftlicher Tagungen bezahlt.
Prof. Rauschmann wurde für die Vorbereitung von Fortbildungsveranstaltungen von Aesculap, biomet depuy, Medacta, AAP, Spontec und Paradigmen Spike bezahlt.
Manuskript eingereicht am 20. Oktober 2014, überarbeitete Version angenommen am
1. Februar 2016.
Übersetzt aus dem Deutschen von Ethan Taub, M.D.
Korrespondierender Autor
Prof. Dr. med. Hans-Raimund Casser
Spezielle Schmerztherapie
DRK Schmerz-Zentrum Mainz
Auf der Steig 16
55131 Mainz, Germany
[email protected]
@Supplementary material
Für eReferenzen siehe:
www.aerzteblatt-international.de/ref1316
eTables:
www.aerzteblatt-international.de/16m0223